Orchesterpodium 2019
Musikalisches Erlebnis in der "Glemsphilharmonie"
Solisten und Orchester des ASG und JKG feiern Premiere mit ihrem "Orchesterpodium" und bieten dem Publikum einen virtuosen Konzertabend.
Gerüchte vermelden, dass man jüngst den japanischen Starakustiker Yasuhisa Toyota ums ASG hat schleichen sehen - angeblich soll er auch in der Triangel gesichtet worden sein.
Es wurde gerätselt, was das wohl zu bedeuten habe - jetzt ist es raus: Die Musikpädagogin Judith Baars und Martina Trumpp, die selbst mit Violin-Solokonzerten auftritt und im Real Life Mathe am JKG unterrichtet, haben am 11. April ins Atrium des ASG eingeladen: zum "Orchesterpodium". "Konzertpodium" kennt man, auch "Orchestergraben" - aber "Orchesterpodium"?
Und jetzt kommt's: Der berühmte japanische Akustiker Yasuhisa Toyota hat in der "Elphi" ein "Orchesterpodium" entworfen, eine Art Hubpodium, das im Unterschied zur üblichen "Schuhschachtel"-Konstruktion eine besonders ausgefeilte Akustik ermöglicht.
Judith Baars gibt sich verschwiegen: Angeblich will sie mit dem Begriff nur "ein neues Format" bezeichnen - neben anderen bereits existierenden Veranstaltungen, wie Orchesterkonzert oder Kammermusik-Abend - das etwa alle zwei bis drei Jahre der Öffentlichkeit präsentiert wird, den Solisten Auftrittsmöglichkeiten bietet und an diesem Abend Premiere hat.
Besonders begabte und virtuose Schüler und Schülerinnen der Neigungskurse Musik am ASG und
JKG, allesamt Preisträger bei "Jugend musiziert", treten gemeinsam mit dem Orchester auf das Podium.
Das Programm bietet einzelne Sätze aus Solokonzerten vom Barock über Klassik bis zur Romantik, die von den Solisten selbst ausgewählt worden sind.
Niklas Gronwald (J2) eröffnet das Konzert mit zwei Sätzen ("Romanze" und "Rondo") aus dem Hornkonzert Nr. 4 KV 495 in Es-Dur von W. A. Mozart (1756-1791), und der Zuhörer ahnt bei der sensiblen Interpretation des Solisten mit der signalroten Fliege, warum der Komponist gerade für dieses Instrument ein besonderes Faible hatte, während es nur ein einziges (verschollenes) Trompetenkonzert von ihm gibt.
Sein voller warmer Ton bezaubert, und es ist sicher kein Zufall, dass bei Joseph von Eichendorff immer irgendwo in der Ferne ein Posthorn ertönt ("Sehnsucht").
Mozart - vielleicht wäre er bei einem längeren Leben zum Romantiker geworden - hat ironische Bemerkungen in die Partitur gesetzt - und sogar stellenweise unterschiedlich farbige Noten.
Jakob Baars (J1) ist in einer Familie aufgewachsen, wo ähnlich wie bei den Bachs den ganzen Tag im Hause irgendwo und von irgendwem Musik erklingt.
Sein Instrument ist - wie das seines Vaters - das Fagott, seine Schwester Anne spielt Oboe und Bruder Felix Horn.
Dass überhaupt Solisten in einem Orchesterwerk auftreten, hat eigentlich erst Antonio Vivaldi (1678-1741) "erfunden" und populär gemacht.
Von ihm, dem ein Zeitgenosse eine "unglaubliche Komponierwut" attestierte und der über 500 Konzerte hinterlassen hat, darunter 241 Violinkonzerte und 39 Fagottkonzerte, spielt Jakob Baars zwei Sätze aus dem Fagottkonzert RV 484 in e-Moll. Was so spielerisch leicht aussieht, erfordert in Wirklichkeit neben Atemvolumen viel Druck, um durch das dünne Rohr in dem großen Instrument Töne zu erzeugen.
Benedict Blaschko (J2) interpretiert den ersten Satz "Allegro" aus dem Klarinettenkonzert Nr. 1 op. 73 in f-Moll von Carl Maria von Weber (1786-1826), das im Repertoire des Instruments hoch angesehen ist.
Klarinettisten der ganzen Musikwelt wetteifern darum, wer das Stück am virtuosesten spielen kann - und Benedict Blaschko ist da ganz vorne mit dabei.
Karolin Jauernig bringt spanisches Temperament in den Konzertabend mit dem 1. Satz der Symphonie espagnole op. 21 in d-Moll von Edouard Lalo (1823-1892). Mit atemberaubendem Tempo tanzen ihre Finger über das Griffbrett, und der Bogen flitzt nur so.
Auf die Frage an die "Teufelsgeigerin", wie man sich ein so kompliziertes Stück merken könne, meint sie: Man übt so lange, bis es irgendwann "in den Fingern" ist - dann spielen die von alleine.
Und jetzt hat Jonas Schatz (J1), der im Orchester auch Violine spielt, seinen großen Auftritt: "Maestoso" spielt er den 1. Satz aus dem Klavierkonzert Nr. 2 op. 21 in f-Moll von Frédéric Chopin (1810-1849). Und er spielt, dass man an Wilhelm Buschs Karikatur "Fortissimo vivacissimo" eines grandiosen Pianisten denken muss:
virtuos, kraftvoll, intelligent.
In einem Konzert voller Höhepunkte gibt es eigentlich keine Steigerung - aber nach der Konzertdramaturgie muss es noch eine Kirsche auf dem Sahnehäubchen geben: David Walter (J1) mit dem 1. Satz "Allegro moderato" aus dem Violinkonzert Nr. 2 op. 2 in d-Moll von Henri Wieniawski (1835-1880) und sein Auftritt als Dirigent mit zwei Sätzen aus der Peer Gynt Suite Nr. 1 op. 46 für Orchester von Edward Grieg (1843-1907).
Reizvoll ist an diesem Abend auch der Vergleich zwischen den Dirigierstilen: Judith Baars mit energischer Lebensfreude, Martina Trumpp graziös tänzelnd wie eine Ballerina und David Walter fest wie ein Baum mit reduzierten Bewegungen und dem entschlossenen Kopfnicken, das er bei Alexander G. Adiarte gelernt hat.
Und was für Pläne haben die erstaunlichen Solisten?
Die Hälfte strebt ein Studium der MINT-Fächer an, die anderen, wie Jakob Baars und Karolin Jauernig, wollen sich der Schulmusik verschreiben - und David Walter wird man als Dirigenten erleben.
Mit einem furiosen "Hexensabbat" samt atemberaubendem Crescendo und Accelerando - ganz erstaunlich für ein Schulorchester - endet ein herausragender Konzertabend.
Yasuhisa Toyota, der Starakustiker, war dem Vernehmen nach wohl doch nicht da (zu teuer!) - man braucht ihn auch nicht. Aber schon macht ein neues Gerücht die Runde: Schulleiter Roman Peters vom JKG will sich künftig von seinem Roboter vertreten lassen - bei den zahllosen kulturellen Aktivitäten der beiden Gymnasien kommt er einfach nicht mehr rum...